Buchrezession: Was man von hier aus sehen kann

Was man von hier aus sehen kann

  • Autor: Mariana Leky
  • Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG
  • Auflage: 27. Edition (12. August 2019)
  • ISBN-10: 3832198393
  • ISBN-13: ‎ 978-3832198398
  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Kategorie: Roman
Amazon & Kindle Edition

Was man von hier aus sehen kann

Mariana Lekys Roman ist eine hinreißende, märchenhaft-skurrile Geschichte, eine zeitlose Fabel, die mit einem besonders feinen Humor gespickt ist. Erzählt wird sie von Luise, die zu Beginn zehn Jahre alt ist. Etwa 20 Jahre lang darf der Leser das Mädchen begleiten, bis es heißt, Abschied zu nehmen und Luise alles Gute zu wünschen.

Schauplatz ist ein kleines Dorf im Westerwald, in dem eine ganze Reihe von Figuren lebt, die man bestimmt nicht so schnell vergisst. Selma beispielsweise träumt manchmal von einem Okapi, einem Tier, das wie eine Kreuzung aus Zebra und Giraffe anmutet. Das ist kein gutes Omen, denn das Okapi kündigt den Tod eines Dorfbewohners innerhalb von 24 Stunden an. Alle im Ort beginnen zu zittern, wenn sie von dem Traum erfahren, denn wen der Sensenmann als nächstes holen wird, verrät das Tier nicht. Obwohl die Dorfbewohner beteuern, nicht abergläubisch zu sein, setzen sie sich dennoch mit aufgeschobenen Dingen auseinander, die angesichts des Todes dringend geworden sind.

Selma hat einen großen Mischlingshund und eine Enkelin namens Luise, die oft bei ihr zu Hause schläft, weil die Eltern mit anderen Dingen beschäftigt sind: Mutter Astrid mit ihrem Blumenladen und ihrer Affäre mit dem Eisdielenbesitzer, Vater Peter mit seinen Reisen in ferne Länder. Und Selma hat einen Verehrer, der ihr seine Liebe nicht gesteht, Selma jedoch ein treuer Freund ist.

Einen guten Freund hat auch Luise, mit dem sie Tag für Tag gemeinsam per Bahn zur Schule fährt. Es ist Martin, der Sohn eines groben Kerls, der seine Aggressionen nicht im Griff hat. Der Junge träumt davon, eines Tages Gewichtsheber zu werden. Dieser Traum soll jedoch nicht in Erfüllung gehen, wohl aber jener von Selma. Das Okapi taucht wieder auf und Luise muss einen harten Schicksalsschlag hinnehmen.

Luise wird erwachsen und macht eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Sie trifft Frederik und ist auf der Stelle in ihn verliebt. Auch der gutaussehende Mann fühlt sich zu Luise hingezogen und die beiden kommen einander näher. Allerdings ist Frederik Mönch in einem buddhistischen Kloster in Japan und eigentlich bereits wieder auf dem Sprung dorthin. Die Voraussetzungen für eine Beziehung sind also alles andere als ideal.

Dieses Buch ist eine originelle Portraitgalerie, in der es noch weitere, teilweise recht wunderlicher Charaktere zu entdecken gibt. Immer wieder taucht etwa die misanthropische Marlies auf, die ihr Haus kaum verlässt und lieber in ihrem ausgeleierten Norweger-Pullover Trübsal bläst. Oder die abergläubische Elsbeth, die gegen alle möglichen Wehwehchen Hausmittel kennt und Friedhelm, der ständig „Oh, du schöner Westerwald“ trällert. Die Autorin wirft einen scharfsinnigen und menschlichen Blick auf die Figuren, deren Geschichten und Eigenheiten. Der Roman berührt alle wichtigen Themen des Lebens – Freundschaft, Liebe, Tod – auf eine leichte, tiefgründige und unvorhersehbare Weise. Kurz: „Was man von hier aus sehen kann“ ist ein besonderes Buch, das den Leser keinesfalls kalt lässt. Es behandelt weniger die Dinge, die man mit den Augen sieht, sondern vielmehr jene, die das Herz fühlt.

Melanie Neuhauser

Hallo! Ich bin Melanie, bekennende Leseratte und schreibe für Euch diese Bücher Rezension. Kontakt per Twitter: https://twitter.com/Buchkiller