• Autor: Ferdinand von Schirach
  • Verlag: Piper
  • Auflage: 11. September 2013
  • ISBN-10: 3492055699
  • ISBN-13: 978-3492055697
  • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
  • Kategorie: Roman
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Tabu – Hintergründig und schonungslos

Der ehemalige Strafverteidiger Ferdinand von Schirach gibt als Autor seines neuen Romans „Tabu“ sehr interessante Einblicke in die Welt der Gerichte. Sehr deutlich pointiert er, dass Wahrheit nicht unbedingt juristische Wirklichkeit sein muss und der Leser wird bei oft zweideutigen, spitzfindigen Beweisführungen und der unterschiedlichen Darlegung von Motiven dazu verleitet zu schreien: „Stopp, das ist nicht wahr!“
Sehr schön wird mit der Person des erfahrenen Strafverteidigers Konrad Biegler der Justizalltag aufgezeigt, in dem es nicht um Wahrheitsfindung, sondern ausschließlich um beweisbare Fakten geht. Emotionen und psychologische Motive und Hintergründe finden darin keinen Platz. Eine schonungslose Berichterstattung der kalten, emotionslosen Welt der Gerichte, über die Schirach als erfahrener und kompetenter Beobachter Fakten preisgibt, die sonst unter den Begriff „Tabu“ fallen.

Tabu: Roman
  • Schirach, Ferdinand von (Autor)

Hauptperson des Romans ist Sebastian von Eschburg, adliger Sprössling eines verarmten Geschlechts, dem nur noch das Stammschloss geblieben ist. Schon in der Kindheit kompensiert Eschburg den Mangel an Kommunikation zu ihm und die distanzierte Haltung der Eltern dem Kind gegenüber mit einer Welt voll Farben, in der die Emotionslosigkeit der realen Welt die Assoziation von Wärme und Bedeutung erhält.

Das Schlüsselerlebnis in dem Eschburg mit seinem Vater auf die Jagd geht und vor der Grausamkeit des Tötens zurückschreckt, bildet den literarischen Hintergrund auf dem die Geschichte des Romans basiert. Der Charakter von Eschburg bleibt sowohl in der Kindheit, als auch als Erwachsener, wo er durch seine Fähigkeit Farben so einzigartig mit Gefühlen zu assoziieren, als Künstler der Fotografie sehr berühmt wird, wenig greifbar, unverständlich und mehr oder minder surreal. Der Leser kann sich schwer mit ihm identifizieren und trotz der oft berührend geschilderten Situationen, ihn nicht wirklich verstehen.
Eschburg gerät als Erwachsener unter Mordverdacht und die Mühlen des Gesetzes beginnen ihn langsam zu zermalmen. Brillant die Figur seines Strafverteidigers Konrad Biegler, der in rasanten Zügen seinem Mandanten den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit vor Gericht unterbreitet.

Das Buch ist spannend wie ein Thriller und emotionsgeladen wie ein Liebesroman. Schirach kann sein berufliches Wissen, wie auch schon in seinen anderen Büchern über Verbrechen, Strafen, Schuld und Sühne etc., erneut sehr prägnant in den Vordergrund bringen. Klug, stilsicher und flüssig geschrieben fesselt der Roman in Sprache und Ausdruck. Es ist dem Autor auch das Kunststück gelungen, äußerst emotionsgeladene, berührende oder verachtenswerte Situationen und Charaktere mit allen dazugehörigen Emotionen dennoch komplett emotionslos zu beschreiben. Eine Fähigkeit, die dem Leser aufgrund der Härte und Brutalität mitunter den Atem raubt.
Der Roman hat die Tendenz, dass man ihn nicht mehr weglegt, wenn man mit dem Lesen begonnen hat.

Melanie Neuhauser

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