Die vergessene Generation

  • Autor: Sabine Bode
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Auflage: 12 (13. Januar 2014)
  • ISBN-10: 3608947973
  • ISBN-13: 978-3608947977
  • Gebundene Ausgabe: 303 Seiten
  • Kategorie: Sachbuch
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Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen

Die WDR-Journalistin Sabine Bode wurde 1947, also nach Kriegsende, geboren. In ihrem Buch „Die vergessene Generation“ lässt sie die Kriegskinder selbst reden. Inzwischen ist diese Generation bereits im Rentenalter. Wie die Autorin selbst anmerkt, hatte sie nicht viel wissenschaftliches Material für ihr Buch zur Verfügung, da dieses Thema nicht oft im Mittelpunkt des Interesses stand. Im Gegensatz zu den Holocaust-Opfern, mit denen man sich eingehend beschäftigt hat, wurde das Leiden der Kriegskindergeneration nie erforscht. Von einer „verschwiegenen, unentdeckten Welt“, spricht der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter.

Fünfeinhalb Millionen Kinder, die ihre Heimat verloren hatten, standen nun im Interesse der Autorin. Und weil in der Vergangenheit nur wenige Untersuchungen in diesem Bereich stattgefunden haben, befragte die Autorin selbst die Gruppen von Menschen, die von 1930 bis 1945 geboren wurden. Sie entschied sich für fünfzehn Jahrgänge und fing mit der Flakhelfergeneration an. Zum Schluss schrieb sie schon über Kinder, welche auf der Flucht zur Welt kamen.

Die Gesprächspartner lehnten oft ab, Näheres über ihren Lebenslauf zu erzählen und wie sich der schreckliche Krieg auf das Schicksal auswirkte. Ihre Kindheitserinnerungen leiteten sie nicht selten mit dem Satz „Wir haben auch viel Schönes erlebt“ ein. Auf den Fotos sind sehr ernste Kinder zu sehen und sie wirken Vergleichsweise erwachsen. Die Kinder tragen für das Überleben ihrer Familie eine Verantwortung. Oft mussten sie sich um die kleineren Geschwister kümmern.

Die Kinder erfuhren den Krieg von seiner furchtbarsten Seite, erlebten die Bombennächte, wurden zu Flüchtlingen. Die traumatischen Erlebnisse prägen das Leben dieser Menschen. Es steckt in ihnen noch viel Unbewältigtes – bis zu der heutigen Zeit. Die Kriegsvergangenheit hat in den meisten Familien hartnäckige Spuren hinterlassen, die manchmal bis in die dritte Generation reichen. Man findet vieles, was eine lange Zeit nicht angesprochen und verschwiegen wurde.

Die Autorin ist wichtig, keine moralische Aufrechnung zu erzielen und keinen neuen Opferkult zu schaffen. Viel wichtiger ist für sie, dass man endlich das benennen darf, was früher nicht gelang: den seelischen Zustand der Kriegskinder.

Das generationsübergreifende Buch regt den Leser an, sich auch mit der Vergangenheit der eigenen Familie zu beschäftigen. Der Mehrzahl der Betroffenen fehlte das wirkliche Gefühl für das erlebte Grauen. Man erwähnt zum Beispiel das von Bomben komplett zerstörte Haus der Verwandten, bei denen so viel schöne Zeit verbracht wurde, nur beiläufig, es wird weggesteckt.

Die Probanden von Sabine Bode hatten oft in der ersten und in der zweiten Generationen Alkohol- oder auch Drogenprobleme. Es liegt nahe, dass das gemeinsame Schweigen dazu führte, noch mehr davon zu konsumieren. Ansonsten könnte ja das Leid an die Oberfläche treten –  aber davon wollte bis vor kurzem auch niemand hören. Die unverarbeiteten Kriegserlebnisse treten immer wieder hervor.

„So wurde eine ganze Generation geprägt: Man funktionierte, baute auf, fragte wenig, jammerte nie, wollte vom Krieg nichts hören – und man konnte kein Brot wegwerfen“, so zitiert Bode in ihrem Buch. Bezeichnend für eine ganze Generation. Bezeichnend für meine Großeltern. Ein Buch – für mich sehr lesenswert!

Melanie Neuhauser

Hallo! Ich bin Melanie, bekennende Leseratte und schreibe für Euch diese Bücher Rezension. Kontakt per Twitter: https://twitter.com/Buchkiller